Ein entscheidendes Jahr: Deutscher Fußball am Scheideweg?

Dass es im deutschen Fußball turbulente Zeiten anstehen, bestreitet aktuell wohl niemand mehr. Und das sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Ein Blick auf die Situation zeigt, was auf dem Spiel steht.

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DFB-Elf: Neue Hoffnung nach Umbruch

Das Achtelfinale der Champions-League brachte die Ernüchterung, die Pessimisten schon lange vorhergesagt hatten. Alle deutschen Vertreter sind ausgeschieden, lediglich in der wenig verlockenden Europa League ist mit Eintracht Frankfurt noch eine Bundesliga-Mannschaft dabei. Dieses schwache Abschneiden wirft viele Diskussionen auf, die Live-Übersicht zu den anstehenden Spielen wird vor diesem Hintergrund ungleich spannender. Schließlich geht es für den deutschen Fußball längst nicht mehr nur um unmittelbare Erfolge, sondern um eine Standortbestimmung und die Richtung für die nächsten Jahre. Als Konsequenz wird jedes Ergebnis umso kritischer betrachtet und schon kleinste Misserfolge werden gerne überhöht; die Medienberichterstattung zeigt sich hier durchaus kompromisslos.

Dennoch: Auf Nationalmannschaftsebene stehen die Zeichen gar nicht so schlecht, wie die Fachpresse es vielleicht glauben machen möchte: Nachdem Bundestrainer Löw recht überraschend drei verdiente 2014er-Weltmeister ausgemustert hat, kann endgültig von einem Umbruch geredet werden. Und das vorhandene Material an jungen Spielern ist zweifellos hoffnungsvoll: Shooting Stars wie Leroy Sané, Timo Werner und Julian Brandt sollen das DFB-Gesicht der Zukunft prägen, ihre spielerischen Anlagen sind unbestritten und lassen den Traum von EM- und WM-Erfolgen nicht vermessen erscheinen.

Denn auch der weitere Kader liest sich mehr als ansprechend. Mit Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona steht auf der Torwartposition bereits ein Neuer-Nachfolger mit Weltklasse-Format bereit, in der Abwehr gilt Niklas Süle (FC Bayern München) als Mann für die nächsten Jahre. Der junge Leverkusener Kai Havertz wird von halb Europa gejagt, Serge Gnabry spielt eine starke Saison bei den Bayern, auch Leon Goretzka scheint den nächsten Schritt gemacht zu haben und Joshua Kimmich gilt trotz seiner 24 Jahre schon als fest etabliert.

Die EM-Quali, die nun beginnt, wird Aufschluss darüber geben, wie schnell das erneuerte Team sein Talent in Zählbares umwandeln kann. Eine souveräne Qualifikation wäre angesichts der Qualität im Kader jedoch keine Sensation.

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Bundesliga-Clubs: Ein Kampf ohne externe Finanzspritze

Deutlich schwieriger sieht es für die Bundesliga im internationalen Vergleich aus. Und das liegt an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Während Vereine aus anderen Top-Ligen längst mit gewaltigen Investorengeldern ausgestattet sind, gilt im deutschen Fußball weiterhin „50+1“. Die Regel wird inzwischen zwiespältig gesehen: Einerseits garantiert sie, dass die Clubs unabhängig bleiben, andererseits sorgt sie auf dem Transfermarkt für einen deutlichen Nachteil.

Da exorbitante Transfersummen und Gehälter wegen „50+1“ nicht möglich sind, wird es immer schwerer, echte Superstars in die Liga zu locken. Als Ausweg bleibt nur ein verstärkter Fokus auf die Talentförderung, doch ob diese ausreicht, um den Anschluss nicht zu verlieren, wird von vielen Fans und Experten bezweifelt.

Die große Frage lautet deswegen: Lohnt sich das Festhalten an der Unabhängigkeit, wenn die Bundesliga in nicht allzu ferner Zeit nicht mehr zu den Top-Ligen gehört? Hier scheiden sich die Geister und neben sportlichen kommen auch moralische Aspekte ins Spiel. Eine objektiv richtige Antwort ist daher kaum möglich, doch betrachtet man den enormen Grad an Kommerzialisierung, der auch den deutschen Fußball längst erfasst hat, wirkt die Regelung zumindest nicht wie ein Modell der Zukunft.

Welche Möglichkeiten haben die Bayern?

Vorerst bleibt es dabei, dass deutsche Clubs nur mit tatsächlich erwirtschaftetem Geld arbeiten können. Nach dem CL-Aus wird das Treiben des FC Bayern logischerweise im Mittelpunkt stehen: Die Münchner sind dafür bekannt, nach schwachen Spielzeiten die Kasse zu öffnen, und sei es nur wegen der Symbolkraft, die damit einhergeht.

Fussball und Geld

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Doch wie viel ist das berühmte Festgeldkonto im heutigen Markt überhaupt noch wert? Absolute Superstars wie Eden Hazard, Antoine Griezmann, Kylian Mbappé oder Neymar sind den Dimensionen des deutschen Branchenprimus längst entwachsen, von lebenden Legenden wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi ganz zu schweigen. Selbst in den Kategorien unmittelbar dahinter bleibt es extrem teuer: Transfers von über 100 Millionen Euro werden immer häufiger, die Kaufoption in Höhe von 42 Millionen Euro für einen James Rodríguez wirkt dagegen wie ein Schnäppchen.

Die Bayern müssen somit echte Treffer landen. Geld alleine schießt zwar keine Tore, doch sieht man sich Teams wie Manchester City oder den FC Liverpool und deren Ausgaben an, wird klar, dass große Transfersummen zumindest ein Teil der Erfolgsgleichung sind, und zwar ein ziemlich bedeutender.



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