Wirtshausspiele: so lebt die alte Stammtischtradition heute fort

Der Stammtisch – eine Jahrhunderte alte Tradition in Bayern: Im Wirtshaus fand man sich regelmäßig zusammen, hier wurde Politik gemacht, das aktuelle Geschehen diskutiert, Geschäfte abgeschlossen, aber auch kräftig gezockt – bei urigen Spielen, die man heute noch als echtes bayerisches Brauchtum kennt – wie Fingerhakeln, Schafkopf, Watten, Zwicken und Tarock, aber auch überregional bekannte Spiele wie Poker und Skat. Heute ist der Stammtisch eher vom Aussterben bedroht und oft nur noch auf dem Land anzufinden. Geraten damit auch die Wirtshausspiele in Vergessenheit? Viele junge Menschen kennen die Regeln kaum noch, weshalb wir einen Blick auf die wichtigsten typisch bayerischen Spiele werfen, um vielleicht zu einer neuen Tradition unter Freunden und Bekannten anzuregen.

Kartenspiel Bayern

Schafkopf oder Watten gehört in vielen Regionen Bayerns zur Wirtshaustradition.
(© Thomas Söllner – stock.adobe.com)

Schafkopf ist der Klassiker unter den Wirtshausspielen und weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt, wobei es kein offizielles Regelwerk gibt und je nach Region auf unterschiedliche Weisen gespielt wird. Beteiligt sind immer vier Personen, wobei jeweils zwei in einer Partei gegeneinander antreten, was auch Sauspiel genannt wird,  und mit dem bayerischen Kartenblatt gespielt wird. Als Trumpfspiel gehört es in die gleiche Kategorie wie Skat und Doppelkopf, ist aber weitaus älter und bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Das Blatt besteht aus 32 Karten, wobei jede Karte eine bestimmte Anzahl Augen besitzt – ein Ass hat beispielsweise elf Augen, der König vier, Unter zwei – wobei es insgesamt 120 Augen im Blatt gibt. Die anstechende Partei muss auf 61 Augen kommen, um zu gewinnen, die Gegenpartei auf 60.

Der Verlauf von Schafkopf ist im Grunde einfach, bedarf dennoch einiger Übung: im Uhrzeigersinn wird jeweils eine Karte aufgedeckt, dabei muss immer „bedient“ werden, das heißt: besitzt man eine Karte der Farbe, die zuerst ausgespielt wurde, muss diese gespielt werden, besitzt man keine, kann frei gewählt werden. Der Spieler mit der höchsten Karte der Runde gewinnt den Stich. Vor jeder Runde darf jeder Mitspieler entscheiden, ob er spielen oder aussetzen möchte, der Spieler, der die Runde gewinnt, erhält alle gespielten Karten und darf die neue Runde ansagen. Eine Besonderheit beim Schafkopf sind die Trumpfkarten, die nach Spielweise und Region variieren – in der Regel jedoch Ober, Unter sowie alle Herzkarten sind.

Etwas weniger bekannt ist Zwicken, ein Spiel, das man in Bayern wie auch in Franken kennt, das aber, anders als Schafkopf, in erster Linie vom Zufall und einer guten Hand bestimmt wird. Gespielt wird es ebenfalls mit dem bayerischen Blatt und 32 Karten. Der Geber teilt den meist vier bis sechs Spielern dreimal jeweils eine Karte aus und gibt dann den Trumpf an. Dabei hat er die Gelegenheit zum „Schlecken“ – er deckt die oberste Karte auf dem Stoß auf und legt sie umgedreht darauf – oder zum „Titschen“, was bedeutet, dass er die oberste seiner drei Karten aufdeckt. Reihum werden nun Karten abgelegt, wobei immer die Farbe bedient oder ein Trumpf ausgespielt werden muss. Je nachdem, wie viele Stiche man hat, wird der Stock – die Einzahlungen aller Mitspieler – aufgeteilt.

Auch beim Watten geht es um den Stich: wie beim Schafkopf treten in der Regel vier Spieler in zwei Parteien gegeneinander an. Insgesamt werden ihnen fünf Karten ausgeteilt, in jeder Runde wird festgelegt, welche Karten „Schlag“ und „Trumpf“ sind, wobei die Wertigkeit – also Sau, König, Ober, Unter – als Schlag bezeichnet wird und vom Spieler links des Kartengebers genannt wird, der Kartengeber selbst bestimmt den Trumpf, also die Farbe des Blattes wie Eichel, Schell, Laub oder Herz. Das Spiel gewinnt die Partei, die drei von fünf Stichen für sich entscheidet.

Schwer zu lernen sind diese urigen Kartenspiele nicht, sofern man sich vorab mit dem bayerischen Blatt und den unterschiedlichen Begrifflichkeiten vertraut gemacht hat.

Anders sieht es im Wirtshaus mit Pokern aus. Das klassische, international bekannte „Glückspiel“ hat nur bedingt mit Glück zu tun, sondern basiert in erster Linie auf schlauer Strategie, guter Beobachtungsgabe, um den Bluff eines Gegners zu entlarven, sowie dem eigenen Geschick gekonnt zu bluffen und die Mitspieler zum Aufgeben zu verleiten. Nicht nur im Wirtshaus wird gern gepokert, Poker online spielen geht über den Computer oder mobile Apps verschiedener Online-Buchmacher, in sogenannten virtuellen Poker-Rooms wie natürlich auch in landbasierten Casinos. An Stammtischen ist das Spiel jedoch seit jeher ebenfalls beliebt.

Fingerhakeln

Fingerhakeln wird heute noch in vielen Regionen praktiziert.
(© cjkpics – stock.adobe.com)

Weniger mit geistiger Fitness als mit körperlicher Kraft dominiert man beim Fingerhakeln – im Grunde ein Sport, der aber im Wirtshaus zuhause ist und gern zwischen den Bierkrügen auf dem Tisch gespielt wird, wobei die Regeln absolut simpel sind: Dabei handelt es sich um ein Tauziehen der Finger, wobei sich die Gegner gegenübersitzen und ihre Mittelfinger in einen Lederriemen verhaken. Wenngleich das Spiel als „Kraftsport“ bekannt ist, kommt es hierbei weitaus mehr auf die richtige Technik an, ambitionierte Spieler trainieren jedoch ihre Finger regelmäßig mit Gewichten, Expandern oder Klimmzügen. Eine Kampfrunde dauert dabei zwischen fünf und 45 Sekunden. Zum unterhaltsamen Wirtshausspiel entwickelte sich das Fingerhakeln erst in moderner Zeit – früher wurden auf diese Weise gewöhnlich Streitereien zwischen Dorfbewohner geregelt.



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